Auf eigene Faust
Die Story von Splinter Cell Conviction lässt sich als persönlicher Rachefeldzug von Sam Fisher beschreiben. Denn nachdem Sam mitgeteilt wurde, dass seine Tochter tot sei, machte er sich auf den Weg, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die gesamte Story wird von Victor Coste als Rückblick erzählt. Ebenso bekommt der Spieler relativ früh eine Szene zu sehen, bei der es scheint, dass Grim Sam erschießt. Stirbt Sam etwa?
Um es mit Victor Costes Worten zu sagen: „Der Sam Fisher, den ihr kanntet, ist tot“. Dass Ubisoft ihn nicht wirklich sterben lassen hat, dürfte wohl vielen klar sein. Vielmehr ist mit den Vorfällen die alte Persönlichkeit von Sam Fisher gestorben. Damit hat sich auch entsprechend seine Vorgehensweise geändert. Er nimmt keine Anweisungen mehr von Echelon entgegen, sondern handelt auf eigene Faust. Und dies teilweise schon auf eine sehr brutale Art und Weise.
In Malta sitzend bekommt er ein Headset überreicht, welches Anna Grimsdotier ihm hat zukommen lassen. Sie wird ihm vorerst bei seiner Suche helfen. Der Spieler darf sich dabei direkt zu Beginn des Spieles mit einem kurzen, tutorialartigen Einstieg auseinandersetzen, um sich mit den Bewegungen, Aktionen sowie den neuen Spielelementen vertraut zu machen. Dabei erfolgen kurze Rückblenden in die Kindheit von Sarah. Sam erklärt ihr, dass die Dunkelheit auch Vorteile hat und somit bestimmte Elemente in der Umgebung sichtbar werden. Dass er ihr dort erzählt, dass ein Mobilee auf die bösen Monster fallen gelassen werden kann, ist nicht nur zur Beruhigung von Sarah, sondern auch schon ein kleiner Hinweis für die Spieler.
Unsichtbare Gefahr
Was Sam gar nicht gebrauchen kann ist unnötige Aufmerksamkeit. Denn sobald er entdeckt wird, gehen eine große Anzahl bewaffneter Gegner auf die Jagd nach ihm. Aus diesem Grunde gilt es die Vorteile der Dunkelheit auszuspielen und die Gegner zu neutralisieren ohne dass es jemand mitbekommt. Hierfür bietet sich unter anderem das Deckungssystem an. Hinter Kisten, Autos, Mauern oder Tischen kann kinderleicht Deckung bezogen werden und mit einem Knopfdruck zur nächsten Deckung gewechselt werden. Die Wechsel gehen dabei meist so schnell, dass die Gegner dies nicht mitbekommen, sofern sie nicht gerade direkt daneben stehen und dort hinschauen. Zudem können wieder Lichter ausgeschaltet bzw. ausgeschossen werden, um für zusätzliche dunkle Ecken zu sorgen. In der Deckung oder in dunklen Bereichen kann Sam warten bis ein Gegner sich nähert, um ihn dann überraschend zu packen und ihn zu erschießen.
Neben dem Deckungssystem, mit dem der Spieler sich bequem mit einer Taste zur nächsten Deckung begeben kann, gab es auch eine wichtige optische Änderung. Denn sobald sich Sam im Schatten befindet, färbt sich das gesamte Bild schwarzweiß. Damit entfällt eine zusätzliche Anzeige in der grafischen Oberfläche. Wie bereits in der Erzählung erwähnt wurde, hat die Dunkelheit die Sichtbarkeit ansonsten schlecht sichtbarer Elemente zum Vorteil. So werden die Gegner und wichtige Gegenstände in Farbe dargestellt und können somit schnell erkannt werden. Sollte Sam doch noch entdeckt werden, wird der letzte Standort, an dem er gesehen wurde, mit einem halbtransparenten Ebenbild von ihm versehen. Somit ist direkt ersichtlich, wo die Gegner als nächstes Suchen werden. Dies dient nicht nur als Warnung, sondern kann auch als Information für eventuelle Überraschungsangriffe genutzt werden.
Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit Gegner vom Rand, beispielsweise neben einer Grube oder am Fenster, zu reißen oder den Tod aus der Luft. Bei ersterem hängt Sam beispielsweise an einem Vorsprung unter einem Fenster und wartet dort bis sich ein Gegner vor ihn platziert. Diese Gelegenheit nutzt Sam zum Zupacken und reißt sein Opfer damit durch das Fenster in die Tiefe. Der Tod aus der Luft kann von Rohren an der Decke oder höher gelegenen Ebenen ausgeführt werden. Hierbei springt Sam einfach von oben auf den Gegner drauf und tötet ihn dann.
Action, Stealth und Taktik
Was die einen Spieler begeistern dürfte, ist für viele Splinter Cell-Fans eher enttäuschend. Anstatt größtenteils lautlos und ohne Waffengewalt die Missionen zu meistern, sorgt Sam mit seiner Wut eher für gewalttätige Aktionen. Der Spieler hat dabei eine recht große Auswahl an Handfeuerwaffen, Maschinenpistolen und verschiedenen Granaten. Wer jetzt denkt, er könne wie in einem Ego-Shooter einfach durch die Gebäude rennen und alles abknallen, was im Wege steht, irrt sich. Das Spiel spielt sich überhaupt nicht wie ein Shooter und der Versuch es doch zu tun, würde eher in den sicheren Tod führen, denn häufig sind in den Arealen viele bewaffnete Gegner anzutreffen, die Sam sehr zügig töten würden. Somit geht Sam idealerweise meist schnell und leise vor.
Auch wenn Splinter Cell Conviction kein Taktikshooter ist, erinnern einige Spielelemente schon etwas an die letzten Rainbow Six-Spiele. Ein neues Feature ist das Markieren und Ausschalten, mit welchem Personen und teilweise auch Gegenstände ins Visier genommen werden können. Mit einem Tastendruck erfolgt eine Zeitlupe, bei der nacheinander auf die Ziele geschossen wird. Besonders effektiv und tödlich, da hierbei kein Schuss verfehlt. Die Markierung erfolgt im Idealfall aus der Deckung heraus. Es ist jedoch auch möglich unter die Türen hindurchzuschauen, um dann die Gegner zu markieren. Damit das Auswählen der Ziele überhaupt ermöglicht wird, ist ein vorheriger Nahkampfangriff notwendig. Dazu schleicht sich Sam entweder an den Gegner heran, um ihn dann von hinten zu attackieren, oder rennt einfach auf ihn zu, um ihn dann im Nahkampf zu überwältigen. Im Anschluss stehen mehrere Markierungen zur Verfügung. Die Anzahl ist abhängig von der gewählten Waffe.
Die Umgebung sollte stets mit in die Vorgehensweise mit einbezogen werden. Das hat nicht nur, wie bereits genannt, die Dunkelheit als Vorteil, sondern auch beim Angriff. Draußen bietet sich die Möglichkeit von einem Fenster zum nächsten zu klettert, um die Feinde aus dem Fenster zu reißen oder diese unbemerkt zu erschießen. Hin und wieder sind explosive Fässer zu finden, mit denen mehrere Personen zugleich ausgeschaltet werden können. Und dann war noch die Erzählung mit dem Mobilee, das Sarah auf Monster fallen lassen könnte. Mit diesem Hinweis waren zum Beispiel Kronleuchter oder andere große Gegenstände, die an der Decke hingen, gemeint. Mit einem gezielten Schuss konnten damit mehrere Gegner zugleich ausgeschaltet werden, denn in den meisten Fällen steht auch immer jemand darunter. Als kleines Hilfsmittel steht etwas später im Spiel das mobile EMP zur Verfügung, mit denen Elektronik und damit auch die Gegner kurzzeitig gestört werden kann.
Einige der Missionen sind jedoch so actionlastig ausgelegt, dass es recht schwer ist leise und taktisch vorzugehen. Doch dafür bekommt der Spieler eine Menge Action und auch recht abwechslungsreiche Missionen geboten. Hierbei sticht eine Mission hervor, die nach einem Attentat zu einer Verfolgungsjagd führt. Diese ist zwar recht linear und vorprogrammiert, sodass der Ablauf bei jedem Mal gleich wäre und die Zielperson auch nicht entkommt, doch spannend allemal. Im Anschluss ist Sam derjenige, der in der Falle sitzt und von mehreren Einheiten gesucht wird. Es gilt sich also gut zu verstecken und zu warten bis jemand mit dem Auto kommt, um ihn abzuholen. In der letzten Mission des Spieles geht die Action jedoch deutlich zu weit, denn hier erfolgt eine große Angriffswelle nach der anderen ohne dass noch viele Möglichkeiten bestehen sich zu verstecken.
Alles per Knopfdruck
Deckungswechsel, Nahkampfangriffe, Tod von oben, Feinde vom Rand reißen sowie das Markieren und Ausschalten erfolgen alle jeweils mit einem einzigen Knopfdruck. Dies mag zwar sehr praktisch erscheinen, macht das Spiel aber weniger anspruchsvoll. Selbst das Knacken von Türen ist nicht mehr notwendig, da Sam Türen einfach eintreten kann. Codes brauchen ebenfalls nicht mehr gesucht werden, denn keine Tür ist mit einem Zahlenschloss gesichert. Gerade im Echelon Hauptquartier scheinen die Sicherheitsstandards gesunken zu sein und beschränken sich anfangs nur auf Sicherheitspersonal und Überwachungskameras. Und das soll eine Hightech-Einrichtung sein? Später gibt es zumindest als kleine Herausforderung noch Laserschranken, die umgangen werden müssen, indem das Sonarsichtgerät eingeschaltet wird.
Überhaupt scheint die Komplexität teilweise etwas gering zu sein. So ist es den Leuten auf der Straße recht egal, was Sam dort überhaupt macht, und reagieren kaum. Auch die Wachen kümmern sich eher weniger darum, ob und wie das Licht ausgeschaltet wurde. Wurde dies mit einem Schalter ausgeschaltet, so kommt es hin und wieder mal vor, dass eine Wache losgeht, um das Licht wieder anzuschalten. Werden die Lampen jedoch ausgeschossen, so kommt vielleicht ein kurzer Schrei, ehe wieder Ruhe ist. Dass das Licht ausgeschossen wurde, scheint denen also völlig egal zu sein, als würde das genauso häufig vorkommen wie die Betätigung eines Lichtschalters.
Auch bei der Fortbewegung gibt es nicht mehrere Geschwindigkeiten, sondern entweder normales Laufen oder Rennen. Sofern Sam nicht gerade rennt, ist er also auch in der Bewegung nicht zu hören. Der Spieler bestimmt im Endeffekt selbst, ob er bemerkt werden möchte oder nicht. Um etwas Aufmerksamkeit zu erregen eigenen sich Fahrzeuge. Bei diesen kann die Alarmanlage ausgelöst werden, woraufhin zumindest ein Soldat auch nachschauen wird, was dort los ist. Eine ideale Gelegenheit, um diese zu neutralisieren. Und auch dies alles mit jeweils einem einzelnen Knopfdruck.
Brutale Methoden
Häufiger trifft Sam auf Zielpersonen, mit denen er sich „unterhalten“ darf. Dabei bekommt der Spieler keine langweilige Unterhaltung zu sehen, sondern meist ein brutales Verhör, bei dem selbst ausgesucht werden darf, wo die Zielperson gegengeschlagen wird. Spätestens wenn Sam das Gesicht des Gegners gegen den Spiegel schlägt und mit dem Kopf das Waschbecken zertrümmert, wird klar, dass er nicht mehr der alte ist. Seine Wut wird hier mehr als deutlich zur Geltung gebracht. Jedoch wirkt dies teilweise schon etwas überzogen, zumal sich derartige Verhöre einfach zu häufig wiederholen.
Während es sonst eher nur selten Missionen gab, wo das Töten überhaupt erlabt war, ist es inzwischen schon fast unvermeidlich geworden. Die Möglichkeit die Soldaten nur K. O. zu schlagen, gibt es derweil nicht mehr, denn selbst die Nahkampfangriffe bringen durch den Einsatz des Messers den Tod für das Opfer. Um nicht selbst Kugeln einstecken zu müssen, können sogar andere Gegner als menschliches Schutzschild festgehalten werden, um dort eine mobile Deckung für den Angriff zu haben. Wird die Person nicht mehr benötigt, kann diese beispielsweise auf andere Feinde geworfen werden.
Kleiner Actionfilm
Mit der Nacherzählung und einigen Videosequenzen wirkt es, als wollten die Entwickler die Story von Splinter Cell Conviction filmreif erzählen. Dies beginnt bereits mit der Erzählweise des Spieles, bei der Victor Coste einleitend zu jedem Kapitel ein paar Informationen parat hat. Nett anzusehen sind die kleinen Videosequenzen, die parallel zu den Aussagen der Personen gezeigt werden. Diese sind nicht wie gewohnt als Vollbildvideo auf dem Bildschirm zu sehen, sondern werden an die Wände projiziert. Einerseits ist dies ein gutes Element, da der Spieler im Spielgeschehen bleibt und keine Wechsel zwischen Video und Spiel entstehen, doch andererseits geht die optische Unterstützung der Erzählung etwas verloren, da die Projektion nur recht schwach und mäßig sichtbar ist.
Die ganze Wut von Sam ist erst durch den Vorfall mit Sarah entstanden, was im Spiel auch eine tragende Rolle hat. Umso schlimmer ist es, dass Sarah ansonsten kein großer Teil der Geschichte ist. Während am Anfang noch ein Rückblick mit ihr als Kind erfolgte, wurde später nur noch ihr Name in Gesprächen erwähnt. Auch das Wiedersehen mit Sarah fiel eher wie ein kurzes Aufeinandertreffen zwischen zwei flüchtig Bekannten auf der Straße aus. Nach einer langen Zeit sollte so ein Ereignis viel emotionaler und ausführlicher sein.