Man könnte meinen die Zeit der Full Motion Videos, kurz FMVs, ist schon lange vorbei. Titel wie beispielsweise Urban Runner aus dem Jahre 1996 sagen niemandem mehr etwas, schon gar nicht der aktuellen Generation. Der Mix aus echter Spielfilm-Inhalte und der Interaktion des Spielers – ggf ein Eingriff in den Ausgang der zugrundeliegenden Handlung – wurde durch rein digitale Kunstmittel ersetzt.
Gerade PlayStation-exklusive Meisterwerke wie etwa Detroit: Become Human stellen zwar das authentischste Pendant zu FMVs dar, bewegen sich jedoch in einer gänzlich anderen Ebene wegen des typischen Uncanny-Valley-Effekts. So realistisch die Darstellung durch Grafik und Akustik wirken mögen; das menschliche Gehirn kommt zu keinem Zeitpunkt umhin, den digitalen Maskenball zu durchschauen. Mit Erica, einem exklusiven Thriller aus dem Hause Flavourworks, möchte man sich wieder an der Annäherung beider Medien versuchen.
Digitaler Groschenroman?
Wir begleiten die namens-gebenden, junge Protagonistin Erica auf ihrer Reise durch dunkle Machenschaften und einer noch dunkleren Vergangenheit ihres erst kürzlich geheimnisvoll verstorbenen Vaters. Warum wurde er ermordet, was hat es mit seiner scheinbar okkulten Geheimnistuerei und vor allem einer düsteren Nervenheilanstalt auf dich, in deren Aktivitäten er verstrickt war.
Erica findet sich recht schnell in einem mysteriösen Fall in Begleitung durch einen nicht minder geheimnisvollen Polizisten wieder. Gemeinsam wollen sie neben dem Mord an ihrem Vater einer Reihe verschwundener Mädchen in der Nervenheilanstalt auf die Spur gehen. Natürlich stellt sich nach und nach heraus, dass kaum etwas das zu sein scheint, was es vorgibt. Abhängig von Ericas Entscheidungen im Verlauf der Handlung, nimmt diese entsprechend Fahrt auf und biegt an verschiedenen Abzweigungen (künstlich) ab.
Alles Schall und Rauch
Künstlich, weil relativ früh klar wird, dass schon allein die vielerorts angepriesene Entscheidungsfreiheit des Spiels aufgesetzter Natur ist. Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, weisen wir schlicht auf den Umstand hin, nicht zu viel Herzblut in die einzelnen (oftmals genretypisch zeitlich bedingte) Momente zu stecken. Gerade die kleinen Mechaniken hinter diesen Szenen vermitteln künstliche Wichtigkeit – sind wenige Sekunden später jedoch schnell nichtig.
Das Spiel will mit einer hippen Gestensteuerung innovativ wirken und sich so von anderen, vergleichbaren Erlebnissen abheben. So wird ein Feuerzeug mit einem galanten Wischen nach rechts aufgeklappt und die Lunte mit einem Wischen nach unten zur Entzündung gebracht. Klingt bequem, stellte sich in der Praxis leider als unnötig anstrengend heraus: Eine einfache Tastenabfrage hätte der Spannung keine Abfuhr getan und die optionale Möglichkeit, das ganze per Handy-Gesten zu lösen, ändert daran wenig.
Die reine Schauspielkunst der einzelnen Pro- und Antagonisten kann sich zwar durchaus sehen lassen, die gekonnte Verschmelzung digitaler Inhalte mit der Szenerie sucht ihresgleichen und der düstere Soundtrack trägt stimmungsvoll durch die Geschichte – von den Twists und dem angeblich großen Einfluss auf den Plot blieb jedoch nicht viel im Gedächtnis. Das dürfte, bei aller Liebe zum Genre-Mut, leider für sich sprechen.
Hier hilft es nicht, dass die Geschichte ab einem gewissen Punkt ins absurde abdriftet und abrupter endet als eine Rolle Hubba Bubba-Kaugummi.