Testbericht: Outward

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Der kanadische Indie-Entwickler Nine Dot Studios lieferte mit Outward am 26. März 2019 ein frisches Rollenspiel mit exotischen Ideen und einer neuen Fantasy-Welt auf den PC, die Playstation 4, sowie Xbox One.

Wer kennt es nicht? Eine neue Welt wartet auf einen neuen Helden. Ein unbeschriebenes Blatt, dass zumeist letzten Endes dann doch eine schicksalhafte Vergangenheit und umso schicksalhaftere Zukunft mit sich bringt. Oftmals ist man Superheld, Drachengeboren oder hat irgendwelche anderen, versteckten Kräfte – welche es dann im Laufe eines Spiels zu ergründen gilt.

Ein kompletter Neuanfang, eine raue Welt und die Tatsache, dass man zu Beginn ein unfähiger Lullie ist, der jeden seiner Schritte überdenken muss… dieser Umstand ist heutzutage rar geworden. Titel wie Dark Souls leben von dieser Magie der rauen, gnadenlosen Welt. Wir alle mögen es, uns zu beweisen und der (digitalen) Welt zu zeigen, was wir auf dem Kasten haben. Umso erfrischender, wenn ein neues Spiel das Licht der Welt erblickt, dass uns genau in diesen Punkten allein lässt.

Das Indie-RPG Outward der Nine Dots Studios will genau diese Kerbe schlagen: Von Beginn an ist recht schnell klar, dass wir ein Niemand sind. Kein Nerevarine, kein Dhovakiin, … und doch dämmert schnell: Diese neue Welt ist groß und geheimnisvoll. Wie geht man am besten vor, um zu überleben? Mit wem freunden wir uns an? Und vor allem: Warum ist der Rucksack so schwer?

Schöne und doch raue, neue Welt?

Vorweg muss für den Test ganz klar erwähnt werden: Outward ist kein AAA-Titel. Der Entwickler hinter dem Spiel ist nicht einmal als AA-Entwickler zu kategorisieren. Hier fließt reines Indie-Herzblut. Umso überraschter war ich, als ich meine ersten Schritte in Aurai – der recht großen Spielwelt von Outward – tat: Hier gibt es mehrere Fraktionen, Flora und Fauna, Höhlensysteme, Meere und Banditenlager. Ja sogar Gebirgstempel und vieles mehr (welches ich euch aus Spoiler-Gründen nicht vorwegnehmen werde). Die Spielwelt überrascht im Gros durch ihren Abwechslungsreichtum und der Liebe fürs Detail – vorerst.

Die Spielwelt überzeugt durch ihre Kontraste und schönen Aussichten.
Die Spielwelt überzeugt durch ihre Kontraste und schönen Aussichten.

Die Haupthandlung beginnt damit, dass der Spieler immense Schulden in seiner Heimat hat. Etwas lief gehörig schief. So sehr, dass er oder sie zum Geächteten beziehungsweise einer Geächteten wird. Fortan wir der Pfad der Wiedergutmachung beschritten und unterwegs schließen wir uns noch einer von drei Fraktionen an. Diese beeinflussen zwar die Enden der Kampagne, sind aber abseits von Fantasy-Einheitsbrei nicht der Rede wert. Tatsächlich leidet Outward an einer gewissen Belanglosigkeit: So detailliert und durchdacht alles zuerst wirkt, so austauschbar entpuppt es sich letzten Endes nach einer gewissen Zeit dann leider doch.

Die Setpieces der vier Teile des Lander, die Szenerie als Solche und auch Flora und Fauna überzeugen eigentlich sehr. Nicht zuletzt durch ihren recht erfrischenden Auftritt mit satten Kontrasten und organischen Strukturen. Leider hat man irgendwann jedoch vieles schon gesehen und da hilft auch nicht, dass viele Bereiche recht karg und leer scheinen.

Eigentliche Komplexität als alltägliches Kryptonit

Outward will den Weg eines Survival-RPGs gehen – mit allen Ecken und Kanten. Soll heißen: Der Tod ist nicht umsonst, unsere Taten haben Folgen und Kämpfe sind erbarmungslos. Ist dem nicht genug, sind die Menge an Loot und die Art des Rucksackes ebenfalls maßgebliche Spielelemente, die bedacht werden wollen.

Rennen wir zu Beginn noch mit leichtem bis gar keinem Gepäck durch Aurai, findet sich alsbald ein größerer Rucksack. Die Jahrzehnte alte RPG-Mentalität, einfach alles was nicht niet- und nagelfest ist auf dem Weg blind auf zu glauben, wird von Entwickler Nine Dot Studios hier kurzerhand einfach über Bord geworfen. Das Gewicht unseres Hab und Guts beeinflusst maßgeblich Dinge wie unsere Ausdauer. So macht es oftmals sogar Sinn, das ganze Gepäck im Getümmel abzuwerfen: Wenn unser Möchtegern-Held zu viel trägt, geht ihm schneller die Puste aus. Gerade in einem Kampfsystem, dass sich recht stark an der Souls-Reihe orientiert, ist das nicht selten eine lebensrettende Entscheidung.

Outward Screenshot
Die Umwelt ist harsch und gnadenlos. Survival wie es im Buche steht.

Leider fühlt sich die Systematik hinter den Kämpfen selbst oftmals sehr roh und ungeschliffen an: Meist ist alles, was man tun kann, draufklopfen, ausweichen, draufklopfen, und so weiter. Kann man machen, fühlt sich aber deutlich unbefriedigender an, als man möchte. Outward setzt hier klar auch fordernde Auseinandersetzungen – mangels Komplexität mündet dies jedoch schnell in repetitiven Abläufen, die man irgendwann auf dem Kasten hat. Problematisch wird es aber im Handgemenge mit mehr als einem Gegner: Hier geht man in der schieren Masse der Angriffe unter.

Die andere Problematik zeigt sich, sobald man in Untergrundstrukturen unterwegs ist: Die KI der NPCs und Mobs lässt sich schnell austricksen, da sie sich bei Sichtweite in gerader Linie auf den Spieler zu bewegt. Gibt es enge Kurven oder Kreuzungen in einem Höhlensystem, lassen sich so Gegner sogar komplett ausmanövrieren.

Das besondere Etwas

Trotz all den eingangs angegangenen Problemen und Schnitzern des jungen und recht überschaubaren Indie-Entwicklers, liefert Outwards etwas, das heutzutage nicht jeder schafft: Eine erfrischende, neue Welt, die sich keinen Konventionen beugt. Jeder Partie ist für sich geschlossen herausfordernder als die letzte, denn das Spiel wirft uns in Situationen, die man so nicht kennt.

Ein Beispiel: Beim Ableben in Outward wird der Spieler nicht schlicht wie gewohnt zum letzten Checkpoint, Bett oder gar zurück ins Hauptmenü geworfen. Stattdessen bestimmt der Zufall, was mit ihm passiert: Mal wacht er in einem Kerker tief unter einer Bergfestung auf, mal am Lagerfeuer eines alten Freundes, der ihn gerettet hat. Stehts werden komplett unvorhersehbare Distanzen überwunden und nicht selten muss ein neuer Plan her.

Outward Screenshot
Kämpfe ufern schnell aus, gegen eine Übermacht hat man keine Chance – die KI in Outward ärgert einen gerne.

Das kann nerven, aber auch zu höherer Vorsicht bei Kämpfen und Co animieren. Leiden diese zwar gerne mal an der Kollisionsabfrage oder übermächtiger KI, so bleibt das Ganze dennoch immens frisch und man weiß nicht, was einen hinter der nächsten Ecke erwartet.

Dies in Kombination mit der unüblichen, nicht minder herausfordernden Inventar- und Gewichtsverwaltung, sorgt für stetes Micromanagement. Das kann natürlich nicht jedem Spaß machen; Rollenspieler mit einem Auge fürs Detail fühlen sich hier jedoch pudelwohl.

Zusammen macht es mehr Spaß

Outward wäre per se keine sonderlich runde Sache – wie aus dem Test bis zu diesem Punkt sicher hervor ging. Die Gehversuche des Entwicklers sind nett, liefern einige erfrischende Ideen und doch ist nachvollziehbar, wieso der Funke bei vielen nur bedingt überspringt. Zum Glück gibt es noch eine Funktion, die den Karren jedoch gehörig aus dem Sand zieht: Die Möglichkeit, das gesamte(!) Spiel im kooperativen Modus online oder per geteiltem Bildschirm zu erleben.

Klingt auf Anhieb nicht sonderlich spannend, entpuppt sich jedoch recht schnell als großer Spaß. Mit einem Freund macht vieles einfach mehr Spaß: Musizieren, kochen, Kinobesuche, das Abschlachten von Banditen und Entdecken digitaler Geheimnisse sowieso. Das Spiel macht sich dies zu Nutze, indem es zu jedem Zeitpunkt möglich ist, einen Freund auf Knopfdruck (wahlweise mit einem zweiten Controller) am Spiel teilhaben zu lassen.

Outward Screenshot
Im kooperativen Splitscreen wird aus dem Spiel ein ganz neues, spaßiges Erlebnis.

Auch gut durchdacht: Im Gegensatz zu vielen anderen Online-Titeln wird der Fortschritt von beiden Teilnehmern nach der Sitzung übernommen beziehungsweise beibehalten. Eine Begrenzung hinsichtlich der Interaktionen mit der Spielwelt oder gar der Distanz zwischen beiden Helden, gibt es auch nicht. Bravo!

Wertung

Positiv

  • Kontrast- und abwechslungsreiche Spielwelt
  • Kooperatives Erkunden und Questen zu zweit möglich
  • Ausgeklügelte Survival-Mechaniken
  • Sterben als Schicksalswendung
  • Toller Soundtrack

Negativ

  • Hölzerne Animationen und verwaschene Texturen
  • Kampfsystem frustriert und fühlt sich unbefriedigend an
  • KI arbeitet nicht zeitgemäß, lässt sich leicht verwirren
  • Viel zu sehen, wenig zu entdecken (recht leere Spielwelt)
  • obgleich frisch, Rahmenhandlung und Fraktionen recht belanglos

Fazit

GC-Wertung
6,5

Das Nischen-Rollenspiel Outward der Indie-Entwickler Nine Dot Studios will ein herausfordernder Hybride aus souls-like und klassischen Rollenspielen sein. Viele Konzepte sind spannend und laden zum Experimentieren ein. Etwa der Rucksack, welcher vor Kämpfen abgeworfen werden sollte oder gar das exotische System hinter dem digitalen Ableben, sind spannende Aspekte des Titels. Zwar ist die Spielwelt als solche zwar kein Fantasy-Einheitsbrei, wirkt irgendwann dennoch sehr leer. Eine recht belanglose Story und ein sehr unbefriedigendes Kampfsystem tun ihr Übriges.

Am Ende des Tages macht der kooperative, lokale Splitscreen-Modus dann doch am meisten Spaß. Eine Welt, so trist sie auch scheint, erkundet sich zu zweit einfach spaßiger. Und wann kommen wir schon in den Genuss, ein komplettes Open-World-RPG kooperativ an einer Glotze durchzuspielen?

Vielen Dank an Koch Media für die Bereitstellung des Testmusters.