Testbericht: Metro Exodus

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

4A Games‘ neuer Ego-Shooter Metro Exodus will als dritter Ableger der Reihe neue Wege gehen und dabei auch einen Meilenstein in Sachen Technik markieren. Der Frage, ob dem ukrainischen Ausnahme-Entwickler dies in Zusammenarbeit mit Deep Silver gelang, gehen wir nun ausführlich nach.

Die Beengtheit hinter sich lassen 

Ähnlich verschiedener Beispiele aus der Filmindustrie, erfreuen sich Spiele auf Grundlage von Romanen immer größerer Beliebtheit. So auch die Metro-Reihe auf Basis Dmitri Alexejewitsch Gluchowskis gleichnamigen Bestseller: Die Reise des russischen Söldners durch den Moskauer-Untergrund in einem düsteren und bedrohlichen Setting der Postapokalypse fesselte in den letzten beiden Teilen (Metro 2033 und Metro: Last Light) viele Spieler nächtelang vor dem Schirm. 

Die düstere Atmosphäre und der klaustrophobische Aspekt der Moskauer Metro – in der sich ein Großteil der Handlung abspielt – ergaben schon zu Zeiten ihrer digitalen Premiere 2010 eine einzigartige Kombination. Der neuste Ableger, Metro Exodus will sich nun buchstäblich an die geheimnisvolle Oberfläche wagen und die aufgezählten Prämissen dabei nicht aus dem Auge verlieren. Da kommt schnell die Frage auf: Bleibt das Spielgefühl trotz Semi-Open-World dasselbe? 

Metro Exodus Screenshot #6

Artjom, ein Söldner aus der Truppe der russischen Spartaner lag es stets an der Sicherheit der namensgebenden Metro. Im Kampf gegen die „Telepathen“ genannten Mutanten, verschiedener Nazi-Gruppierungen, oder gar der eigenen Verzweiflung in der Enge der U-Bahn-Tunnel: Er war stets an vorderster Front dabei. In Exodus ist ihm die Dunkelheit jedoch überdrüssig und er entscheidet sich nach der Schlacht um D6 in Metro: Last Light, an der Oberwelt nach Anzeichen anderer Überlebender Ausschau zu halten. 

Neue, steinige Wege 

Soweit zur Ausgangslage des Spiels. Natürlich führt ein unerwartetes Ereignis zum anderen und Artjom findet sich mit seiner (in Metro: Last Light kennen gelernten) Ehefrau Anna, deren Vater und einem Trupp aus anderen treuen Söldnern auf der Flucht durch das ganze Land mittels eines Zuges. Allein die Erschließung dieses Fortbewegungsmittels bei einem Kampf gegen die Hansa wirft viele Fragen auf: Wurden die Menschen in der Metro jahrelang angelogen? 

Die beschwerliche Reise führt das Team quer durch Russland: Man munkelt, es gäbe eine Arche der Zivilisation im Berg Yamantau. Natürlich bleibt die Fahrt nicht ohne Komplikationen und Artjom muss vielerorts aushelfen, wenn der Zug halten muss. Hierbei wird schnell klar: Exodus wird anders als seine Vorgänger. Statt immer gleicher U-Bahn-Tunnel und kleinerer Passagen an der verstrahlten Oberfläche bietet das Spiel hier eine Semi-Open-World aus mehreren aneinander gereihten, recht großen Abschnitten. 

Diese lassen sich frei erkunden und bieten viele Schauplätze, Geheimnisse und gleichermaßen Gefahren. Dabei führt ein loser roter Faden anhand der Anforderungen und Situationen, in denen sich der Trupp befindet. Mal sollen Rohstoffe, mal ein bestimmtes Ersatzteil oder gar ein ganzer Wagon erkämpft und beschafft werden. 

Metro Exodus Screenshot #3

Dabei punktet das Spiel erneut mit einer dichten Atmosphäre: Trotz der neugewonnenen Freiheit ist die Spielwelt mit ihren Mutanten, der aggressiven Tierwelt und Umweltbedingungen nach wie vor ein Kessel aus persistenter Anspannung und gelegentlich auch Angst. Hierbei wechseln sich diese Aspekte erstaunlich nahtlos und recht angenehm voneinander ab. So erkundet Artjom zwischen Ruinen und verstrahlten Bunkern auch mal Dörfer, in denen sich vereinzelt sogar ein Paar Überlebende verstecken. Immer wieder trifft man auf Anhänger eines Kults, der Elektrizität und technologischen Fortschritt als das Werk des Teufels höchstselbst ansieht. Dementsprechend misstrauisch reagiert man auf Artjoms Bewaffnung und schon das Einschalten der Taschenlampe kann eskalierend wirken. 

Die Dynamik zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern und somit Fahrgästen der Aurora verdient keinen Oscar – wartet aber mit einzelnen, wirklich guten Momenten auf. So passiert es recht schnell, dass einem die raue Truppe irgendwann ans Herz wächst und etwaige – unvermeidbar – Verluste einen schmerzlichen Einschnitt in den Plot darstellen. Gitarre spielend über Ereignisse aus den Vorgängern sinnieren, intime Gespräche mit Anna führend oder einfach nur bei einer Zigarette den Gedanken der NPCs lauschend, entsteht ein erschreckend authentisches Bild. 

Im Osten viel Neues 

Im Vergleich zu Metro 2033 und Last Light hat sich unter der Haube tatsächlich viel getan: Wo damals noch – je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad – penibel auf jede Patrone im Magazin geachtet werden musste, kann Artjom nun unterwegs selbst Hand anlegen und einige Hilfsmittel selbst herstellen. Mittels eines Rucksacks mit Werkzeug und Rohstoffen, welche er auf seinem Weg durch die verstrahlte Oberwelt immer wieder aufsammelt, können jederzeit im laufenden Spielbetrieb manche Munitionsart und Heilspritzen hergestellt werden. 

Metro Exodus Screenshot #5

Das Crafting ist per se nicht so überladen, wie man es von anderen Spielen kennt: Es handelt sich hierbei lediglich um oberflächliches Ressourcen-Micromanagement, da diese bei einem ausgiebigen Kampf schnell zur Neige gehen können. Vielerorts finden sich so in der Natur und verlassenen Ruinen Überreste der vergangenen Zivilisation – aber auch eben niedergestreckte Banditen hinterlassen viel Loot und so manch interessantes Waffenteil. 

Waffen lassen sich in Exodus nun frei anpassen und so etwa mit einem besseren Visier, stabilerem Lauf und vielem mehr aufwerten und umbauen. Dabei ist immer der Handel zwischen Schaden, Mobilität und Lautstärke zu betreiben: Je nach Spielstil oder gar Situation, lohnt es sich, etwas mehr Zeit in die Waffenupgrades zu investieren. Hierbei wird jedoch kein Schießeisen übermächtig – im Gegenteil: Je höher die Nutz-Frequenz, desto schneller verdreckt das Teil. Wenn der graue Spartaner seine Waffen nicht alsbald an einer der, in der Welt verteilten, Werkbänke säubert, gibt es schnell Ladehemmungen. Und diese könnten im falschen Moment schnell Artjoms Tod bedeuten. 

Dasselbe gilt für die Atemschutzmaske, die jetzt sogar im Gefecht einen Sprung kriegen kann und dann erstmal wieder abgedichtet werden muss. Vieles kennt man also schon aus den Vorgängern, anderes wurde sinnvoll und vor allem so erweitert, dass es spielerisch wie atmosphärisch einen Mehrwert bietet. 

Generell lässt sich das Spiel auf viele unterschiedliche Arten und Weisen angehen: Wer ballernd durchs Ödland zieht, hat am Ende vermutlich viel Munition verprasst – muss sich aber nicht des Nachts durch die Banditen-Camps schleichen und dabei Gefahr laufen, Opfer der herum irrenden Mutanten zu werden. Das Spiel bietet einen Tag-und-Nacht-Wechsel, der sich per Nickerchen auf einer Matratze in so manch Unterschlupf auch gezielt kontrollieren lässt. 

Metro Exodus Screenshot #2

Durchgehend gilt sogar, wie schon in den Vorgängern: Bis auf wenige, handlungsrelevante Schlüsselmomente können Feinde stets umgebracht oder verschont werden. Das nimmt auf den ersten Blick abseits von Kommentaren der Begleiter wenig Einfluss auf das Spiel – führt je nach Vorgehensweise jedoch zu einem anderen Ende der Kampagne. Spannend auch der Umstand, dass manchmal die restlichen verbliebenen Kämpfer in einem Gefecht angesichts Artjoms Übermacht aufgeben und sich stellen, um verschont zu bleiben. 

Verstrahlte und doch wunderschöne Postapokalypse 

Metro Exodus wurde im Vorfeld viel hinsichtlich des technischen Sprungs zum Vorgänger beworben. Gerade in Sachen Beleuchtung wolle man hier einen Meilenstein erreichen – etwas, das dank Nvidias Echtzeit-Raytracing erreicht werden will. Nach nun beinahe zwei Durchläufen auf unterschiedlichster Hardware kann ich bestätigen: Der Plan ging auf. Im ersten Durchlauf auf einer Nvidia GTX 1080 Ti bestach das Spiel mit seinen knackigen Texturen, der angenehm hohen Weitsicht (sofern man mittels Fernglas entsprechende Gebiete in der Ferne „aufgedeckt“ hat) und atemberaubenden Wettereffekten, wie etwa dichten Nebel und das Beschlagen der Atemschutzmaske. 

Beim zweiten Durchlauf mit einer Nvidia RTX 2080 Ti entfaltete sich dann jedoch das ganze Potenzial des Spiels: Dank des RTX-Features der globalen Echtzeit-Beleuchtung durch die Sonne wirkte die Spielwelt prompt deutlich authentischer und auch viel bedrohlicher. Der Grund ist einfach zu erklären: Durch die Realtime-GI sind Schatten der Geometrie „echte“ Schatten und dort wo wenig bis kein Licht hinfällt, ist es unvergleichbar dunkler. Dinge wie etwa eine Taschenlampe oder das später freischaltbare Nachtsichtgerät werden zum elementaren Helfer und der Gedanke, sich nachts auf einen Ausflug zu wagen, will wohl überlegt sein. 

Gerade der Lichteinfall und die Tatsache, dass dieser auch von Schnee oder ähnlichem korrekt reflektiert wird, trägt enorm viel zur Gesamtstimmung des Titels bei. Leider kommt das Ganze nur auf der Oberfläche zum Tragen, da – zum Zeitpunkt der Rezension – Realtime-GI auf die Sonne beschränkt ist. Soll heißen: U-Bahn-Tunnel profitieren kaum bis gar nicht on dem Nvidia-exklusiven RTX-Feature. Andere Funktionen, wie etwa die aus Battlefield V bekannte Echtzeit-Reflektion oder gar die (groß angekündigte und bis heute noch nicht gelieferte) GI-Echtzeitschattierung aus Shadow of the Tomb Raider, sind nicht vorhanden. 

Metro Exodus Screenshot #7

Ein besonderer Bonus – neben der Echtzeit-GI – beschreibt übrigens Nvidias „Deep Learning Super Sampling“, kurz DLSS: Im Gegensatz zur hardwarehungrigen Kantenglättung MSAA oder FXAA setzt DLSS auf hybrides Hochskalieren der Inhalte. Das bedeutet unterm Strich ein enormer Leistungszuwachs auf höheren Auflösungen, ab 2560x1440 und aufwärts. Wo das Feature zu Release hin noch starke Kinderkrankheiten mit sich brachte (wie etwa verschwommene Geometrie und Texturen), wurde nun einiges verbessert und DLSS hält was es verspricht. Gerade in Kombination mit dem doch recht performance-lastigen Raytracing mehr als nur ein Gimmick, das einen spürbaren Mehrwert mitbringt. 

Das ist per se auch kein Problem: Im Gesamteindruck ist und bleibt Metro Exodus ein traumhaft schönes Spiel, dessen Szenerie und atmosphärisch authentisches Leveldesign einen nicht selten einfach nur staunend verweilen lässt. Da hilft es übrigens ungemein, dass Artjom als solcher in der Ego-Perspektive unglaublich gut animiert wurde: Beim Nachladen, Auf-die-Uhr-schauen, beim Öffnen des Rucksacks… alle Bestandteile an seinen Armen oder der Ausrüstung bewegen sich korrekt. Das macht einiges aus – bravo! 

Raues Russland 

Aber auch in 4A Games‘ neuem Meisterwerk ist nicht alles Gold was glänzt: Gerade die Gesichter Artjoms Begleiter wirken stets hölzern. Eine Lippensynchronität kann man nicht unbedingt vollumfänglich erwarten, wäre aber durchaus schön gewesen. 

Das größte Problem des krönenden Abschlusses der Trilogie ist jedoch die künstliche Intelligenz der Feinde. Oder vielmehr zeitweise die Ermangelung dessen: Schleicht sich Artjom in ein Banditenlager, passiert es nicht selten, dass er einen Räuber nach dem anderen ausschalten kann, ohne die anderen aufzuscheuchen. Nicht immer liegt das an der Raffinesse des Spielers, denn die KI hat hier und da einige ungelenke Aussetzer, die einen gerne aus der Immersion des rauen, postapokalyptischen Russlands reißen. 

Metro Exodus Screenshot #1

Auch gibt es einen gewissen Haken mit der Inkonsistenz der Open World hinsichtlich möglicher Respawns von Feinden, beispielsweise in den oft erwähnten Banditenlagern. Das Spiel bereitet einen zu keinem Zeitpunkt darauf vor, dass man sich schnell eine Kugel einfangen kann, wenn Artjom in ein kürzlich gesäubertes Camp stolziert (um etwa in einem Bett zu speichern). Das ist von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich und teilweise sehr unberechenbar. Kein Manko als solches; eher etwas das einen unerwartet treffen kann – und nicht hätte sein müssen. 

Das Problem mit der Stimme 

Leider verzichtet man auch im letzten Teil der Trilogie komplett auf Kommentare des Protagonisten während des Spiels: Gerade der Sprecher aus den Ladesequenzen, welcher Artjoms Tagebuch vorliest, würde hierfür wunderbar herhalten. Kurioserweise findet sich im Spiel jedoch grundsätzlich immer wieder eine kurze Pause in den Gesprächen mit Prota- oder Antagonisten ein, welche Zeit für Artjoms Antworten ließe. Vor Jahren wollte man hier noch auf Authentizität und der Identifikation zwischen Spieler und gespielter Figur achten – nun wirkt das aber in 80 % der Gespräche im Spiel unfreiwillig absurd. Dabei entstehen derart viele Momente, in denen die Umwelt auf Artjoms Aussagen reagiert, obwohl für den Spieler faktisch keinerlei Aussagen wiedergeben werden. 

Generell sind die Synchron-Sprecher des Spiels recht gut gewählt. Aber wie auch bei den Vorgängern sollte man sich, wenn einem Immersion und Atmosphäre sehr am Herzen liegen, Gedanken über eine Umstellung auf Russisch machen. Warum gerade dies in Kombination mit dem fehlenden Ingame-Sprecher für Artjom einen unglaublichen Mehrwehrt für das Spiel einbringen würde – und wie viel Potenzial in der Ermangelung dessen in Exodus verschenkt wurde – zeigt ein Konzept-Video des Reddit-Users Captain_Vit alias Vitaliy Novikov. Die Nachfrage nach dieser akustischen Ergänzung ist nun sogar derart hoch, dass der Nutzer daraus ein großes Walkthrough-Projekt machen möchte, bei dem er alle entsprechenden Stellen authentisch vertont.

Liebes Koch Media Team – wenn ihr das hier lest, leitet das doch bitte an das Entwickler-Team weiter. Ein Inhaltsupdate mit passender Vertonung wäre vielen Spielern sicherlich ein paar russische Rubel wert. Dieser Kritikpunkt wirkt an dieser Stelle vielleicht auf den ersten Blick recht aufgeblasen – aber wir schreiben das Jahr 2019; gibt dem Mann eine Stimme und Charakter. So bleibt er in Erinnerung. 

Wertung

Positiv

  • Authentische Metro-Atmosphäre trotz offener Spielwelt
  • Anpassbarer Spielstil mit unterschiedlichen Enden
  • Grafisches Feuerwerk, das so manch AAA-Titel alt aussehen lässt
  • Spannender Plot quer durch Russland inkl. vier Jahreszeiten
  • Liebevoll vielschichtige Charaktere und Wendungen
  • Treibender Soundtrack, der sich der Situation anpasst

Negativ

  • Fehlerhaftes Gegner-Verhalten mit teils großen Aussetzern
  • Hölzerne Animationen und fehlende Lippensynchronität
  • Schweigender Protagonist sorgt für einen Bruch der Immersion

Fazit

GC-Wertung
9,0

4A Games‘ neuer Endzeit-Shooter Metro Exodus mischt viele Erfolgsrezepte und baut auf den beiden Vorgängern auf – ohne sich länger von U-Bahn-Tunnel einschränken zu lassen. Das Ergebnis ist ein Erlebnis, das sich klar von der aktuellen, recht grauen Masse an AAA-Produktionen abhebt: Eine bewegende Zugfahrt durch das postapokalyptische Russland entgegen aller Widrigkeiten; inklusive einem kurzweiligen Mix aus Semi-Open-World und atmosphärisch dichte, engere Level im Wechsel. 

Der Abschluss der Trilogie hebt die ohnehin hohe technische Messlatte von 2033 und Last Light noch mal um einiges an und brennt insbesondere visuell ein wahres Feuerwerk ab – Besitzer einer RTX-GPU aus dem Hause Nvidia erleben das Spiel hierbei in seiner besten Form. Leider macht die KI der Gegner große Probleme und auch das erneute Ausbleiben einer richtigen Vertonung Artjoms trügen das Gesamtbild leicht. Alles in Allem ist Metro Exodus ein mehr als gelungener Abschluss und es bleibt weiter spannend, mit welchen Erweiterungen 4A Games in nächster Zukunft den Deckel drauf machen wird. 

Vielen Dank an Koch Media für die Bereitstellung des Testmusters.