Böse Nachbarn, böse Geschichte?
Resident Evil 7 Biohazard knüpft weder etwa an das doch sehr actionlastige Zombie-Spektakel aus dem Vorgänger an; noch bekommen wir (offenkundig) bekannte Persönlichkeiten zu Gesicht. Nein; in der Rolle des vermeintlichen Normalo-Typens Ethan Winter gilt es dem Verschwinden seiner Frau Mia auf den Grund zu gehen. Ein augenscheinlicher Hilferuf per Video führt uns zum Anwesen der Bakers. Und die Baker Familie, die hat es in sich.
Natürlich lässt sich rätseln, was uns an dem einfachen Video genau hierher geführt hat: Lediglich Mias beängstigende Warnung „Wenn du das hier siehst – suche nicht nach mir!“ gibt Ausblick auf die bedrohliche Situation vor Ort. Haarspalterei, denkt sich Capcom; so beginnt das Spiel in dem kleinen Wäldchen vor der Villa. Ich weiß nicht, was mich eher davon abhalten würde dieses alte Anwesen genauer zu untersuchen: Das mit Hirsch-Schenkeln gespickte Tor oder der Umstand dass alles schier nach Tod stinkt und aussieht.
Kaum habe ich es ins vermoderte Gebäude geschafft, dauert es nicht lang, bis ich auf die Familie Baker treffe – welche mich ganz spontan und herzensgut zu einem gemeinsamen Mittagessen einlädt. Leider steht nichts, was ich besonders mag, auf dem Speiseplan. So mache ich mich gleich zu Beginn dieser vermeintlich familiären Freundschaft zum Boo-Mann und muss um mein Leben fürchten. Natürlich breche ich hier den Beginn des Spiels auf wenige Sätze herab um etwaige Spoiler zu vermeiden. Fortan gilt es für Ethan, respektive mir, mich durchs Anwesen der Baker-Familie zu schleichen und gelegentlich kämpfen um den Geheimnissen meiner einstmals verschwundenen Frau auf die Spur zu kommen.
Ganz neu und doch „back to the roots“
Resident Evil 7 Biohazard bedient sich – ungleich seiner sechs Vorgänger – erstmal der Ich-Perspektive. Ähnlich wie bei Ego-Shootern erlebt sich hierdurch alles deutlich intensiver. Ich bin Ethan; nicht der Kameramann welcher alles aus Perspektive der dritten Person miterlebt. Ich bin mitten drin in dem allgegenwärtigen Terror des Spiels und seiner Geheimnisse. Natürlich ist der Umschwung nur logisch: Gerade für Sonys PSVR-Headset für die Playstation 4 eignet sich das Spiel dadurch wirklich hervorragend.
Ist das Spiel deshalb gleich markenfremd, wie die meisten selbsternannten Kritiker im Netz behaupten? Ich verneine. Gerade in Teil 7 hatte ich so viele unglaublich gute Retro-Vibes: Sei es das Inventarsystem, die Save-Rooms zum Abspeichern seines Fortschritts oder die abwechslungsreichen Rätsel. Eine bessere Liebeserklärung an die Ursprünge der reihe hätte Capcom nicht abgeben können. Gerade in einer Zeit, in der sowohl Spiel- als auch Film-Adaptionen immer actionreicher werden und an Pacing konstant zunehmen, ist es erfrischend sich wieder in Schrittgeschwindigkeit und mit etwas Grips durch diesen Albtraum zu bewegen. Gerade ganz besonders bleibt ein SAW-ähnlicher Abschnitt in Erinnerung, von dem ich gerne mehr sehen würde.
Mir gefällt auch der Ansatz, (vorerst) auf bekannte Gesichter zu verzichten und eine gänzlich neue Geschichte zu erzählen. Am Wegesrand mag man vermutlich immer wieder Hinweise auf etwa Umbrella Corp. und Co finden – im Großen und Ganzen bleibt Resident Evil 7 Biohazard jedoch voll und ganz die Geschichte rund um Ethans Leidensweg zur Findung seiner Herzensdame – ähnlich wie etwa Dantes Inferno.
Mittendrin statt nur dabei
Wie eingangs erwähnt, spielt das neue Gruselepos von A bis Z in der Ego-Perspektive. Die zeitgemäße Grafikpracht inklusive volumetrischer Licht- und Schatteneffekte sorgt für den Rest. Schweiß rinnt die Stirn herab, wenn uns ein grandios animiertes Familienmitglied der Bakers durch dunkle Korridore jagt. Wenn Ethan seine Hand an die Wand legt, während wir um die Ecke spähen. Wenn die hervorragende Tonkulisse uns einen Schauer den Rücken runter jagt.
Durch dieses audiovisuell anspruchsvolle Gesamtpaket schafft es Capcom, im Spiel eine Atmosphäre aufzubauen in der uns jedes noch so kleine Knarzen zusammen zucken lässt. Ich will mir gar nicht ausmalen, welche Terror dieser Trip in einer Playstation VR wohl sein mag. Leider lag uns das Konsolen-HMD zum Testzeitpunkt nicht vor; etwaige Erfahrungen trage ich nach, sollte sich dies ändern. Auch ohne in der virtuellen Realität gefangen zu sein, schafft Resident Evil 7 Biohazard zeitweise ein Vakuum, das man in vielen anderen Horror-Titeln vermisst. Bravo!
Technisch ist das Spiel sowohl auf der Playstation 4 als auch dem PC hervorragend optimiert. Bei potenter Hardware läuft das Spiel sogar auf einer 4k-Auflösung mit konstant stabilen Bildraten. Wirklich oft bricht das Bild auch auf der Konsole nicht unter 30 fps, was bei der grafischen Darbietung eine gute Leistung ist.
Wasser ist dicker als Blut?
Ich versuche das nachfolgende so schonend wie möglich zu formulieren: Resident Evil 7 Biohazard ist seit Jahren der beste Beitrag zur digitalen Grusel-Sparte. Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt – oder in diesem Fall eher das Blut dicker als Wasser: Ethan ist als Protagonist des Spiels so unfassbar apathisch, dass ich während des Durchspielens eher wegen seiner Reaktion auf das Geschehene, als letzteres, fassungslos vor dem Bildschirm saß. Ohne zu viel zu verraten: Wenn meiner Frau etwas zustößt, könnte ich nicht so cool bleiben. Krasser (Stereo)typ eben.
Auch nimmt der Horror-Faktor des Spiels im letzten Drittel dermaßen ab, dass man sich vermeintlich unbeeindruckt gegen hiesige Gegnertypen zur Wehr setzt – nur damit bald das Outro rollt. Generell ist die Antagonistenvielfalt äußerst beschränkt: Neben der eigentlichen Baker-Familie treffen wir lediglich auf überdimensionale Mücken und die sogenannten „Geschmolzenen“. Letztere kommt zwar in zwei bis drei Variationen daher; bis auf ihr Verhalten und die Anzahl der Beine kann man in der tristen Dunkelheit der Level meistens jedoch keinerlei Unterschiede ausmachen.
Das letzte Manko ist die teilweise doch extrem asynchrone, deutschen Tonspur des Spiels. „Mensch, Timo, man spielt sowas im O-Ton!“ – abgesehen von dieser subjektiven Aussage bin ich der Meinung, dass deutsche Synchron-Studios eine hervorragende Arbeit leisten. Hierbei handelt es sich eher um einen technischen Makel. Die deutschen Sprecher sind ansonsten durch die Bank gut gewählt.